Vielleicht sind es die Menschen, auf die wir zufällig treffen, deren Gesichter wir besonders gründlich studieren können. Mit seinen „Typen“ gelingt es Rocko Iremashvili auf beeindruckende Weise, Stimmungen von Begegnungen einzufangen, die eigentlich gar keine Begegnungen sind.

Die Betrachteten präsentieren sich nicht. Sie wissen nicht, dass sie beobachtet werden. Eigentlich haben sie nur sich selbst. Und dennoch – oder gerade deshalb – entlockt der Künstler den eingefangenen Si­tu­a­tionen sehr viel über die Menschen, die er malt.

Es scheint immer ein zweites Gesicht zu geben. Der ältere Mann im Zug spiegelt sich in der Fensterscheibe. Beide Male strahlt er die gleiche ruhige Beschaulichkeit aus. Ein Bild des Friedens und der Zu­frie­den­heit? Würde es einen Unterschied machen, wenn der Mann auf einer Bank im Stadtpark säße?

Ganz anders der Mann mit der auffälligen Frisur und der blauen Mütze. Geduckt und voller Aufmerksamkeit blickt er in die Welt. Das Porträt zeigt ihn zwei Mal in fast gleicher Haltung. Nur den Kopf wendet er von rechts nach links. Immer auf der Lauer?

Bei der Frau vor dem grünen Hintergrund ist kein zweites Gesicht zu sehen. Aber in der freien Fläche lässt sich etwas vermuten, was sie zu diesem gehetzten Blick veranlasst. Sie wendet sich von dort ab. Aus Enttäuschung? Aus Angst?

 

Frank Buchholz