Jörg Plickat ist Bildhauer, der, nach eigenem Bekunden, von der Figur kommend, sich stets in Subtraktion und Addition von geometrischen Körpern, gleich in welcher Größe oder Materialität, ausdrückt. Seine Formensprache ist geprägt durch Boolesche Operationen in einer Formenwelt von Vier- und Dreieck, von schematischer Klarheit. Doch geht er stets vom Raum, nicht von der Form aus. Die Reduzierung des objekthaften auf die elementaren Beziehungen der kubistischen Formen und Proportionen in Beziehung zum Raum sind konzeptionell durchdacht. Einfachheit in der Form ist nicht gleichbedeutend mit Einfachheit der künstlerischen Erlebnisse. Menschliche Proportionen, abstrahiert in Kuben oder Torsi sind eine Konstante in seiner Bildsprache.

 

Wir widmen uns hier seinen kleinen aus Schiffbaustahl gefertigten Skulpturen. Schiffbaustahl hat etwas mit seiner Herkunft, aber auch mit seinem jetzigen Lebensraum zu tun. Stahl als besonderes Sinnbild der westlichen Zivilisation erhält im 20 Jahrhundert Einzug in die Bildhauerei mit einer eigenen Ikonographie. Dabei entwickelt sich im Laufe der Zeit gegenüber dem Material die Wertigkeit. Die Oberfläche wird rillig und bisweilen tränend, auch mit Schlackespuren belassen, um die traditionelle Bearbeitung, das Brennen mit Acety­len, sichtbar zu erhalten. Um sie jedoch haptisch gefälliger zu gestalten, werden sie gebürstet. Dies macht den formalen Reiz der Arbeiten aus.

 

Für seine kleinen Skulpturen wählt Jörg Plickat die Kunstgattung Multiples. Diese kleinen Serien beinhalten, dass jede einzelne Skulptur durch Signierung und Nummerierung zu einem seriellen Unikat wird. „Das Multiple stellt Originale in Serie her. Das heißt, die Objekte sind nicht einem Original nachgebaut, sondern selbst original. Sie sind nicht nur vervielfältigt, sondern in sich selbst vielfältig.“ So Daniel Spoerri und Karl Gerstner Ende der 50-er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Wobei jede Skulptur die Existenz und Abwesenheit der anderen impliziert. Dabei verzichtet Jörg Plickat bewusst auf eine individuelle Handschrift innerhalb der Auflage und auf den Reiz der Rarheit, die das herkömmliche Kunstwerk zu einem Kunstgegenstand im musealen Zusammenhang prädestiniert.

 

Thematisch kreisen die gezeigten Skulpturen um das Paar-Thema. Wo die einzelne Figur oder das Figurenpaar als Bild des Menschen in der Stahlplastik erscheint, ordnet es sich den eigentlich konstruktivistischen Anliegen der Stahlplastik unter. Die Formensprache ist auf einfache Grundstrukturen reduziert. Trotzdem sind sie sofort erkennbar und regen zur Partizipation an. Sie lassen sich leicht durch ein paar Handgriffe verändern, greifen Raum oder verschmelzen. Stehen Kopf oder abseits. Es entsteht ein partizipatorischer Reiz beim Betrachter, der zu (gemeinsamem) spielen auffordert. Durch ihre Materialität sind sie robust und schwer, trotzdem haptisch reizvoll. Der Betrachter kann schnell in ihren Bann gezogen werden und sein Befinden, seine Wünsche, seine Phantasie frei beflügelt ausdrücken. Je nach Konstellation greifen die Objekte in Raum, Zeit und Gefühl des Betrachters ein.  

 

Sabrina Buchholz