Es erscheint nicht zufällig, dass Brunelleschi, der Erbauer des Florenzer Doms, die exakte Perspektive in der Renaissance entwickelt hat und in zahlreichen experimentellen Modellen die Wirkung der Raumdarstellung auf sich – das Subjekt – bezog und untersuchte.
In der gleichen Epoche entwickelte Leonardo Da Vinci eine Proportionsfigur, die in die Überlagerung aus Kreis und Quadrat den Menschen in den Mittelpunkt stellt als sichtbares Zeichen des neuen Geistes der Renaissance; der Gott des Mittelalters wird durch den Menschen als Maß aller Dinge ersetzt.
Diese Betrachtungen, Wahrnehmungen, Perspektivkonstruktionen, auch ihre Übertragungen in die Malerei, haben über die Funktion der Bilderzeugung die Wirkung eines Spiegels. Das erzeugte Bild wird Reflektionsort des gesellschaftlichen Weltbildes.
Nicht das Ab-Bild, sondern das Bild im Kontext von Vergangenheit aus der Jetzt-Zeit-Sicht, ist das Wesen der Perspektive.
Der Blick in die Ferne, die Bündelung der Sehstrahlen bis zur Unendlichkeit des Fluchtpunkts stellt die Frage nach den unsichtbaren Bildern hinter dem Horizont.
Raum – Zeit – Geschwindigkeit – Kommunikation – Kodierung – Entmaterialisierung durch binäre Logik, Wahrnehmung, Erkenntnis und Handeln als Erfahrungswirklichkeit werden ästhetisch reflektiert.
Der Aufbau der Perspektivkonstruktion wird verändert durch die Einflussfaktoren: subjektiver Betrachtungsstandort, historischer Kontext, Zukunftsvisionen und deren Projeizierbarkeit auf die Bildebene der Gegenwart.
Der Begriff der Perspektive als Konstruktionsprinzip wird im doppelten Sinn des Wortes als Prinzip der Verortung verwendet. Zum einen der Blick in die Zukunft mit einem Abbild der Gegenwart. Zum anderen das Konstruktionsprinzip der exakten Perspektive als Möglichkeit, die Welt abzubilden und Denkbilder sichtbar zu machen. Damit ist auch zwingend verbunden, die Auseinandersetzung mit der Wahrnehmung der Umwelt durch den Menschen.
Andrea Kampert