Das Beschäftigen mit dem Gewässer nimmt einen großen Teil des Werkes  von Claudia Bormann ein.  Sie wählt die Wasserdarstellungen als eine besondere Form der Landschaftsmalerei. Die Landschaftsmalerei gilt als Ausschnitt aus der Natur im Kontext zum Menschen.

 

Die oft menschenleeren Bilder zeigen uns überdimensionale Wasserlandschaften, sanft durchspült oder eingefroren. Das sonst achtlos am Wasserrand stehende Reet wird zum Protagonisten ihrer Bilder. Es werden Momente der Bewegung festgehalten, ohne ihre Lebendigkeit zu verlieren. Der Sog, der den Rezipienten in das Bild förmlich zieht, geht von der Helligkeit aus, ähnlich wie es schon seit den Bildern von William Turner immer wieder geschieht.

 

Aus der Ferne betrachtet wirken die Arbeiten fast fotorealistisch, doch je näher der Betrachter dem Malgrund kommt, je mehr lösen sich die Gegenstände auf, kommen abstrakt anmutende Formen zu Tage und wird der beschwingte Duktus grober Pinselstriche sichtbar.  Organische Muster entstehen, bei gleichzeitiger Fokussierung auf das Lebendige. Der Blick wird auf einen Mikrokosmos gelenkt. Trotz grober Pinselstriche wirken die Landschaften filigran und verletzbar. Erstarrt oder vor Hitze flirrend. Sie kommen scheinbar unberührt daher, obwohl es vom Menschen gestaltete Räume sind, durch Künstlerhand umgesetzt und mit Emotionen gefüllt. So werden die Landschaften Spiegel innerer Landschaften und Beschreibungen von Seelenzuständen.

 

Neu im Oeuvre der Landschaften von Claudia Bormann und erstmalig in der Galerie per-seh gezeigt sind die auf den jüngsten Reisen gewonnenen Eindrücke in Form von dort gesehenen Palmendächern – ähnlich wie bei den Reetpflanzen entstehen rhythmische Muster, die mit dem Hell und Dunkel des Lichtes spielen.  Waren es bisher eher europäische, nordische Landschaften, finden nun auch andere Orte Eingang in ihre Malerei. Die Reisetätigkeit dient nunmehr als neue Inspirationsquelle. Trotzdem bleibt Claudia Bormann ihrem Sujet  treu. Auch in den neu entstandenen Palmendächern ist unmittelbar ihr Duktus, ihre besondere Handschrift erkennbar, was den Bildern eine Unverwechselbarkeit beschert.

 

Geheimnisvoll findet das Bild erst im Titel die Verortung für den Betrachter – dabei ist das Motiv archetypisch gewählt und beschreibt das Gewässer oder die organische Struktur schlechthin. Es geht bei den Gemälden nicht um den konkreten Ort, vielmehr  um eine Ideallandschaft. Die Landschaftsschilderung als persönliches Seherlebnis empfundener Eindrücke, umgesetzt zu einer allgemein gültigen Aussage. Die Perspektive ist losgelöst vom Betrachtungshorizont, trotzdem entsteht eine klare Vorstellung der Begebenheit. Trotz Abstraktion werden florale Formen sichtbar und tanzen in lichtdurchfluteten Räumen.

 

Bereits in der Renaissance wurde die Landschaftsmalerei zu einem der großen Themen in der Malerei. Im Zuge der Auseinandersetzung mit diesem Genre,  entwickelt Claudia Bormann ihre mehrteiligen Arbeiten. Diese setzen der Sogwirkung ihrer anderen Arbeiten eine gewisse Distanziertheit des Rezipienten entgegen. Die Zwischenräume werden zum Stilmittel erhoben. Sie schaffen dadurch gleichzeitig Distanz und Intimität. Ähnlich eines Blickes durch ein Sprossenfenster wird die Landschaft zerteilt, fügt sich jedoch im Auge des Betrachters zu einer Einheit zusammen. Dabei scheint der Betrachter in einem geschützten, ihm alleine zugänglichen Raum zu stehen. Die unmittelbare Emotionalität ist gebremst, gleichwohl sind die Bilder nicht weniger intensiv. 

 

Sabrina Buchholz